Ohne Schuhe zu gehen hat positive Effekte auf Gesundheit und oft auch Stimmung. Sobald man das entdeckt hat stellt sich aber gleich die nächste Frage: Wie tut man das genau? Gerade am Anfang ist die Unsicherheit oft groß.

Für Ungeduldige: Unten im Fazit stehen die Faustregeln für’s Barfußgehen.

Hier geht’s zum Video.

Vorfußgang, Mittelfußgang oder gar mit der Ferse zuerst auftreten? Ob man nun Vollzeit-Barfüßler oder Gelegenheits-Schuhauszieher ist – als Anfänger hört man zum Thema Barfußgehen so manches und ist den verschiedensten Ratschlägen und Meinungen ausgesetzt. Ich möchte versuchen etwas Licht ins Dunkel zu bringen was das Gehen betrifft. Das Laufen verdient eine eigene Erklärung an anderer Stelle. Das meiste trifft im Übrigen auch auf das Gehen mit Barfuß-/Minimalschuhen zu.

Zuerst muss ich sagen: Was ich hier schreibe ist auch nur eine informierte Meinung. Wissenschaftliche Untersuchungen zum richtigen Gangmuster gibt es kaum welche und wo es doch untersucht wurde ist am Ende bisher immer „more research needed“. Zur Zeit müssen wir uns also auf Biomechanik, Anatomie und Erfahrung verlassen, wohl wissend dass es somit keine endgültigen Aussagen geben kann.

Nachdem das geklärt ist – was haben wir denn eigentlich für Optionen? Grob gesagt gibt es drei mögliche Gangarten, die sich darin unterscheiden welcher Teil des Fußes zuerst auf dem Boden aufkommt:

Fersengang

Dieser Gang ist sozusagen der Standard. Man beschreibt beim Auftreten das typische Abrollen von der Ferse zu den Zehen: Zuerst kommt die Ferse auf dem Boden auf, dann mehr und mehr der Mittelfuß, schließlich die Ballen und Zehen. Beim Abdruck lösen sich Ferse und Mittelfuß vom Boden und man drückt sich mit dem Vorfuß ab.

Vorteile: Die meisten Menschen gehen mit Schuhen im Fersengang. Daher ist dieser auch beim Gehen ohne Schuhe sehr intuitiv. Man kann sich besser auf den Untergrund konzentrieren und die Fußmuskulatur wird nicht ganz so schnell überfordert.

Nachteile: Die Ferse hat zwar ein dünnes Fettpolster, das kann aber keine nennenswerte Stoßdämpfung leisten. Das Problem: Man neigt zu recht großen Schritten, wodurch das Knie beim Auftreffen der Ferse auf den Boden fast oder sogar ganz gestreckt ist. Der erste Stoß wird also durch die harte Ferse und das gestreckte Knie kaum gedämpft. Hier hilft es eher leise aufzutreten und flach abzurollen; je lauter man den Fersenkontakt hört, desto größer der Stoß in den Gelenken.

Mittelfußgang

Hier kommt streng genommen der ganze Fuß gleichzeitig in Kontakt mit dem Boden, deshalb ist die Bezeichnung ‚Mittelfußgang‘ auch etwas unpräzise. Die Schritte sind meist etwas kürzer. Der Abdruck funktioniert ziemlich genau wie beim Fersengang.

Legt man die Bezeichnung weniger streng aus, kommt oftmals die Ferse ganz kurz vor dem restlichen Fuß auf, allerdings ohne ein ausgeprägtes Abrollen im klassischen Sinne .

Vorteile: Es setzen alle drei Punkte des Fußgewölbes (Ferse und die Ballen von Klein- und Großzeh) mehr oder weniger gleichzeitig auf. Die Kraft des Aufpralls wird gleichmäßig verteilt und das Gewölbe wirkt wie eine Feder, da Muskeln, Sehnen und Bänder den Stoß auffangen können. Hier sind die Schritte oft etwas kürzer, dadurch ist das Knie nicht ganz gestreckt und kann ebenfalls einen Teil zur Federung beitragen.

Nachteile: Diese Variante fällt vielen anfangs schwer, der Bewegungsablauf ist besonders bei zügigem Gehen ungewohnt.

Vorfußgang / Ballengang

In Reinform kommen hier nur der Vorfuß und die Zehen mit dem Untergrund in Berührung, die Ferse bleibt in der Luft.

Die weniger strenge Variante lässt auch einen Teil des Fußrands auf den Boden kommen, die Ferse schwebt dabei nicht mehr so hoch in der Luft.

Als Mischform von Vorfuß- und Mittelfußgang gibt es auch eine Art ‚Schleichgang‘, bei dem der Vorfuß zuerst aufkommt. Die Ferse wird dann bei der Gewichtsübernahme auf den Boden abgesenkt und letztlich hat der ganze Fuß Bodenkontakt. Diese Variante belastet Muskeln und Sehnen weniger stark.

Vorteile: Wade, Sprunggelenk und Fußmuskulatur absorbieren einen großen Teil der Energie und die weiter oben liegenden Gelenke sind dadurch geringeren Stoßbelastungen ausgesetzt.

Nachteile: Erfordert viel Übung und birgt ohne sorgfältige Vorbereitung die Gefahr der Überlastung durch hohe Belastungen u.a. der Achillessehne.

Diese drei Kategorien bieten nur eine grobe Möglichkeit zur Einordnung. Es gibt unendlich viele Abstufungen zwischen Fersen- und Ballengang und die Grenzen zwischen diesen sind fließend.

Welcher Gang ist der richtige?

Aus den beschriebenen Vor- und Nachteilen könnte man voreilig den Schluss ziehen: Der Mittelfußgang. Der Vorfußgang ist zumindest am Anfang zu schwierig und verletzungsanfällig; der Fersengang belastet die Gelenke zu stark. Fertig… oder?

Nein, ganz so einfach ist es dann doch nicht.

Der Untergrund auf dem man geht bestimmt nämlich ganz entscheidend, wie wir auftreten. Ob ich auf einer weichen Wiese, hartem Asphalt, spitzem Kies oder gar zwischen Glasscherben gehe – immer trete ich anders auf.

Abgesehen davon ist der Gang eine individuelle Sache, die auch auf angenehmem Boden nicht für alle Menschen gleich funktioniert.

Welcher Gang ist der richtige für mich?

Grundsätzlich ist keine der Gangarten falsch. Beim Gehen sind die Kräfte nicht allzu groß, so dass gesunde Gelenke auch mit Fersen- und Vorfußgang gut zurecht kommen können. Jeder Körper reagiert hier anders.

Es gibt viele individuelle Faktoren die den natürlichen Gang bestimmen können. Unter anderem sind das

  • Fußform
  • Körpergewicht
  • Trainingszustand und Belastbarkeit
  • Körperproportionen (Fußlänge, Beinlänge usw.)

Kleinere Menschen mit kürzeren Beinen gehen beispielsweise oft eher mit vergleichsweise großen Schritten, weil sie mit einem Schritt weniger Entfernung zurücklegen.

Menschen mit hohem Körpergewicht laufen eher Gefahr, ihre Gelenke mit dem Fersengang oder ihre Sehnen mit dem Vorfußgang zu überlasten als es sehr leichte Menschen tun.

Manche Menschen überlasten schnell ihre Sehnen beim Vorfußgang, während andere mit dem gleichen Gang und dem gleichem Training keine Probleme bekommen.

Diese Faktoren kann man nicht oder nur über längere Zeit ändern. Es gibt aber zwei weitere Faktoren, die den Gang stark beeinflussen: Schrittlänge und Geschwindigkeit.

Sie beeinflussen sich auch gegenseitig, denn meistens gilt: Je schneller man geht, desto größer werden die Schritte.

Wie wirkt sich das auf den Gang aus?

Schrittlänge: Der Mittelfußgang fällt bei kleinen Schritten leichter. Je größer die Schritte werden, desto eher neigt man zum Fersengang. Das liegt daran, dass die Knie dabei vollständig gestreckt werden können und man so die größten Schritte machen kann.

Geschwindigkeit: Die Geschwindigkeit bestimmt wesentlich die Energie, mit der der Fuß auf dem Boden aufkommt. Je schneller, desto wichtiger wird das Abfedern der Bewegungsenergie.

Je schneller man geht, desto eher neigt man zu großen Schritten und dadurch zum eher belastenden Fersenkontakt. Daher rate ich hier zu etwas kleineren, dafür schnelleren Schritten und zum flachen Abrollen. Dadurch schlägt die Ferse nicht auf dem Boden auf (man denke an den Extremfall Stechschritt), sondern führt den Rest des Fußes zügig auf den Boden, wo die Kraft dann gleichmäßig verteilt werden kann.

Es gäbe natürlich noch viel mehr zu den Gangformen und den individuellen Faktoren zu sagen, für einen Überblick sollte die Beschreibung hier aber ausreichen.

Den eigenen Gang finden

Dein eigenen Gang findet man am besten durch Ausprobieren. Ferse und Knie sollten auch auch nach längeren Strecken noch gut anfühlen.
Es kann anfangs auch helfen, sich von der Seite zu filmen. So kann man besser beurteilen wie man geht und das eigene Körpergefühl mit der Realität abgleichen.

Besonders hilfreich finde ich folgenden Trick: Halte dir beim Gehen die Ohren zu. Starke Erschütterungen im Körper hörst du dann als dumpfe Geräusche. So kann man besonders beim Fersengang sehr deutlich den Unterschied zwischen hartem und weichem Auftreten erkennen.
Bist du dir unsicher, geh zuerst auf Zehenspitzen. Da hörst du kaum etwas. Danach geh ein paar Schritte zügig und energisch und tritt bewusst mit der Ferse auf. Den Unterschied hört man deutlich. Natürlich solltest du im Alltag so gehen, dass du keine lauten Erschütterungen hören kannst. Wenn du das mit dem Fersengang hinbekommst (harter Fersengang vs. weicher Fersengang), dann ist das meiner Meinung nach genauso gelenkschonend wie jede andere Gangart.

Für mich persönlich fühlen sich der flache Fersengang und die Varianten des Mittelfußgangs am besten an. Beim langsamen Gehen setze ich dabei mit der Ferse ganz kurz vor dem restlichen Fuß auf. Wenn ich über spitze Steine gehe oder Scherben befürchte, setzt tendenziell mein Vorfuß kurz vor dem Rest der Sohle auf. Dem reinen Vorfußgang kann ich für mich persönlich eher wenig abgewinnen. Wirklich über die Ferse abzurollen ist für mich ebenfalls ungünstig, da ich zu großen Schritten neige.

Fazit

Es gibt nicht den einen richtigen Gang für alle. Ich möchte dir deshalb als Orientierungshilfe folgende Faustregeln für das Barfußgehen an die Hand geben:

  1. Mach ein wenig kleinere (und dafür eher schnellere) Schritte als in Schuhen.
  2. Die Füße sollten aktiv sein, aber auf keinen Fall verkrampft.
  3. Wenn du dir die Ohren zu hälst solltest du beim Gehen keine lauten Erschütterungen hören. Wenn man in der Wohnung unter dir deine Schritte hört, dann machst du etwas falsch 😉
  4. Achte beim Auftritt darauf, dass die Knie nicht vollständig durchgestreckt sind (Stichwort ‚weiche Knie‘).
  5. Sich von der Seite zu filmen hilft bei der Beurteilung des eigenen Gangs.
  6. Versuche nicht, auf jedem Untergrund gleich zu gehen. Der Gang darf sich an den Boden anpassen.
  7. Wenn sich etwas unangenehm/komisch anfühlt… lass es und versuch es ggf. am nächsten Tag wieder. ‚Zähne zusammenbeißen‘, ‚Augen zu und durch‘ und ‚Das kleine Stück noch‘ führen zu nichts Gutem, glaub mir. Jede Veränderung braucht Zeit, also hab Geduld.

Noch kürzer und etwas zugespitzt: Geh wie es sich gut anfühlt. Beim Fersengang nicht zu heftig mit der Ferse auftreten, beim Vorfußgang auf Überlastungszeichen achten, dann machst du so schnell nichts verkehrt.

Am allerwichtigsten ist: Du musst dich beim Gehen wohl fühlen. Der Rest ist zweitrangig. Nach und nach verbessert sich dein Körpergefühl und du spürst selbst am besten, wie du richtig gehst.

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